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Warum der Strompreis an den Gaspreis gekoppelt ist

  • Veröffentlicht: 07.10.2022
  • 16:06 Uhr
  • Nicole Lemberg

Steigt der Gaspreis, zieht der Strompreis nach: Die Kosten für Strom sind durch die Merit-Order eng an den Gaspreis gekoppelt und schießen deshalb aktuell immer weiter in die Höhe. Die EU-Kommission will das ändern und diskutiert über gedeckelte Gas-Preise. Was dahinter steckt, erfährst du hier. Im Clip: So sparst du Energie im Alltag.

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Das Wichtigste zum Thema Strom- und Gaspreise

  • Die Energie-Preise sind seit Beginn des russischen Angriffskriegs stark gestiegen. Dass durch die knappe Gas-Versorgung aber nicht nur die Kosten für Gas, sondern auch die Strompreise immer weiter nach oben klettern, ist kein Zufall.

  • Gas gibt auf dem Strommarkt den Ton an - und das, obwohl Gaskraftwerke weniger als 15 Prozent der gesamten Strom-Versorgung in Deutschland ausmachen.

  • Grund ist die sogenannte Merit-Order. Denn an den Märkten definiert das teuerste Kraftwerk den Strompreis an der Börse. Die mit Abstand kostspieligste Stromquelle ist aktuell Gas.

  • Was genau dahinter steckt und warum die EU-Kommission die Verbindung kappen will, erfährst du hier.

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Gaspreise deckeln? So will die EU Strom günstiger machen

Seit Monaten diskutiert die EU über Lösungen, die explodierenden Gas- und Strom-Preise zu senken. Einige Mitgliedsstaaten - wie Frankreich oder Spanien - haben bereits verschiedene Energie-Deckel eingeführt.

Aktuell diskutiert die EU über eine Möglichkeit, die in Spanien und Portugal bereits seit Juni umgesetzt wird - und deshalb auch den Namen "iberisches Modell" trägt. Die beiden EU-Länder deckeln den Gaspreis ausschließlich für die Stromerzeugung. Gaskraftwerke können den Brennstoff so deutlich günstiger beziehen und Strom entsprechend günstiger weiterverkaufen. Das wirkt sich durch das Merit-Order-Prinzip wiederum auf den gesamten Strommarkt aus.

Das Modell gilt als umstritten - vor allem, weil es in Spanien und Portugal dazu geführt hat, dass der Gasverbrauch noch weiter gestiegen ist. Dabei ist der Brennstoff in ganz Europa durch den Ukraine-Krieg ein knappes Gut. Die EU will deshalb klare Rahmenbedingungen setzen, um trotzdem Anreize zum Energiesparen zu setzen.

Was die deutsche Regierung zusätzlich auf Bundesebene plant, erfährst du weiter unten

So funktioniert das Merit-Order-Prinzip

🤝 Strom wird wie eine Ware gehandelt. Das passiert hierzulande an der Strombörse in Leipzig.

💶 Jeder Erzeuger bietet seinen Strom zum individuellen Preis an - und zwar so, dass seine Kosten gedeckt sind. Das sind die sogenannten Grenzkosten

☀ Den ersten Zuschlag bekommt das Kraftwerk mit den niedrigsten Grenzkosten. Dazu zählen in Deutschland erneuerbare Energien wie Solar- oder Windkraft.

🔋 Reicht die Versorgung nicht aus, sind weitere, teurere Kraftwerke an der Reihe. Zum Beispiel Kohlekraftwerke - oder Gas.

📊 Verkauft wird der Strom allerdings nicht für den individuellen Preis, den die Kraftwerke anbieten. Den endgültigen Börsenpreis für alle bestimmt laut der Merit-Order die teuerste Stromquelle.

💰 Das heißt: Jeder Stromproduzent verkauft zum Preis des teuersten Kraftwerks. Das ist aktuell Erdgas - mit Abstand.

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Merit-Order: Ein Beispiel in 5 Schritten

💨 Ein Windkraftwerk bietet einem Stadtwerk seinen erzeugten Strom für 8 Cent pro Kilowatt-Stunde an. Der umweltfreundliche Erzeuger hat sehr geringe Kosten, um den Betrieb instand zu halten - und kann seinen Strom deshalb besonders günstig anbieten.

❗ Das Windkraftwerk kann zu diesem Zeitpunkt aber nicht so viel Strom liefern, wie benötigt wird. Zusätzliche Stromerzeuger müssen einspringen.

🧱 Ein Kohlekraftwerk liefert weiteren Strom für 21 Cent pro kWh. Bei Braunkohle sind die Grenzkosten schon deutlich höher, als bei erneuerbaren Energien. Auch die Versorgung mit Kohle reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken.

🏭 Ein Gaskraftwerk bietet die restliche Strommenge für 30 Cent pro Kilowatt-Stunde an. Hier sind die Grenzkosten auf Grund der Gasknappheit durch den russischen Angriffskrieg besonders hoch.

💶 Das Stadtwerk muss durch die Merit-Order jetzt für jede Kilowatt-Stunde 30 Cent zahlen - egal aus welcher Quelle der Strom stammt. Das Kohlekraftwerk macht dadurch einen Gewinn von 9 Cent je kWh - und die Windkraftanlage sogar einen Gewinn von 22 Cent.

Wie hat sich der Strompreis in letzter Zeit entwickelt?

Obwohl zum 1. Juli 2022 die EEG-Umlage als Bestandteil des Strompreises weggefallen ist, steigen die Kosten für Strom so stark, wie nie zuvor. Das Vergleichsportal Check24 rechnet vor: Für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowatt-Stunden lag der Strompreis im August 2021 noch bei 1.529 Euro. Ein Jahr später liegt die Jahres-Rechnung bei 1.996 Euro - ein Anstieg von 31 Prozent.

Laut dem Vergleichsportal Verivox liegt der Durchschnittspreis für Strom Ende August 2022 sogar noch höher. Das Portal errechnete eine Steigerung von 51 Prozent zum Vorjahr.

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Galileo-Stromspiegel: Der deutsche Strom-Verbrauch im Überblick

So hoch ist der Stromverbrauch in Deutschland im Durchschnitt nach Haushaltsgröße.
So hoch ist der Stromverbrauch in Deutschland im Durchschnitt nach Haushaltsgröße. © Galileo
Galileo vom 05. April 2022

Wie würden wir ohne russisches Gas leben?

Wie würde unser nächster Winter aussehen, wenn wir kein Gas mehr aus Russland bekommen würden? Wie würde das unseren Alltag beeinflussen? Um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, sehen wir uns zwei fiktive Szenarien an: den "Worst Case" und den "Best Case".

  • Video
  • 12:16 Min
  • Ab 12
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Ist die Merit-Order noch zeitgemäß?

Dass die Merit-Order nicht mehr zweckmäßig funktioniert, gab EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im letzten Herbst zu bedenken. "Die in die Höhe schießenden Strompreise zeigen gerade aus verschiedenen Gründen die Grenzen unseres jetzigen Strommarkt-Designs auf", erklärte die EU-Kommissionspräsidentin. Die EU-Kommission arbeite deshalb an einer kompletten Umstrukturierung des Strommarktes.

Auch Wirtschafts- und Umweltminister Robert Habeck will an diesen Gedanken anknüpfen und kündigte auf deutscher Ebene ebenfalls Reformen an. Mit einem neuen Mechanismus sollen Verbraucher:innn Strom aus erneuerbaren Energien zu einem wesentlich günstigerem Preis einkaufen. Diese Überarbeitung wird auf die Schnelle aber nicht umsetzbar sein, sagen Expert:innen.

Wie will Deutschland die Energie-Preise senken?

Kurzfristig helfen könnte eher die Deckelung der Energie-Preise. Dafür will sich Deutschland nach aktuellem Stand nicht nur auf die EU verlassen, sondern auch auf Bundesebene handeln.

Als Teil des neuen Entlastungspakets kündigte die Regierung die Einführung einer Strompreis-Bremse an. Für einen Basis-Verbrauch an Strom soll nach den Plänen der Ampel-Regierung künftig ein vergünstigter Preis gelten. Finanziert werden soll die Deckelung durch das Abschöpfen von Übergewinnen. Energie-Konzerne, die von der hohen Strompreisen auf Grund der Merit-Order profitieren, sollen einen Teil ihrer Gewinne abgeben.

Einen ähnlichen Ansatz wird die Regierung auch bei den steigenden Gas-Preisen fahren. Hier soll ein Gaspreis-Deckel die Kosten für die Bürger:innen regulieren.

Durch Bemühungen der Regierung soll die Versorgung gesichert werden und ein Strom-Blackout verhindert werden.

Woher stammt der Strom in Deutschland?

Erneuerbare Energien wie Photovoltaik, Wasser- und Windkraft machen 2022 etwa 48,5 Prozent der gesamten Strom-Einspeisung in Deutschland aus.

🧱 Kohlekraftwerke liefern etwa 31,4 Prozent des Stroms.

💥 Atomkraft macht 2022 in Deutschland noch etwa sechs Prozent aus. Zum Vergleich: 2021 war es noch doppelt so viel.

💨 Erdgas liefert als Stromquelle hingegen 11,7 Prozent der Energie.

🛢 Sonstige fossile Energieträger wie Ölkraftwerke machen 2,4 Prozent der Strom-Einspeisung aus.

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