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Kirchensteuer: Wie viel du bezahlst und wofür dein Geld ausgegeben wird

  • Veröffentlicht: 30.06.2022
  • 09:00 Uhr
  • André Marston Alvarez

Die Kirchensteuer: Jede:r zweite Deutsche zahlt sie und doch wissen viele nicht, wofür das Geld verwendet wird. Wir erklären dir, wieso du jeden Monat an die Kirche zahlst und wohin deine Steuer eigentlich fließt.

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Das Wichtigste zum Thema Kirchensteuer

  • Die Kirchensteuer ist hierzulande die wichtigste Einnahmequelle der großen christlichen Kirchen. Sie wurde im 19. Jahrhundert eingeführt.

  • Die Steuer stellt eine deutsche Besonderheit dar, da sich die Religionsgemeinschaften in fast allen anderen Ländern vor allem durch Spenden finanzieren.

  • Damit eine Religionsgemeinschaft in Deutschland überhaupt eine Kirchensteuer erheben darf, muss sie von einem Bundesland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sein.

  • Die Kirchensteuer beträgt in der Regel neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer und muss von allen Mitgliedern bezahlt werden, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Nur in Bayern und Baden-Württemberg liegt die Abgabe bei acht Prozent.

  • Obwohl 2021 mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten sind als je zuvor, ist immer noch fast jede:r Zweite ein Teil der christlichen Religionsgemeinschaft in Deutschland. Die evangelische Kirche hat so laut Statista allein im Jahr 2020 5,63 Milliarden Euro an Kirchensteuer eingenommen. Die katholische Kirche kam sogar auf 6,45 Milliarden Euro.

  • Genutzt werden die Einnahmen durch die Steuer von der Kirche zum Beispiel für Renovierungsarbeiten an Kirchen, die Bezahlung von Angestellten oder soziale Verbände. Die genauen Ausgaben-Anteile und mehr zur Kirchensteuer erfährst du hier.

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Warum gibt es überhaupt eine Kirchensteuer?

Eingeführt wurde die Kirchensteuer während der Besatzung deutscher Gebiete durch Napoleon im 19. Jahrhundert. Da die damaligen deutschen Fürsten Teile ihrer Gebiete an Frankreich abgeben mussten, erhielten sie als Entschädigung Besitztümer und Ländereien der Kirche. Im Gegenzug waren die Fürsten und Städte dazu verpflichtet, die Kirchen durch entsprechende Staatsleistungen zu unterstützen.

1806 fiel Napoleon in Berlin ein. Durch die Herrschaft der Franzosen über deutsche Staatsgebiete kam die Kirchensteuer zustande.
1806 fiel Napoleon in Berlin ein. Durch die Herrschaft der Franzosen über deutsche Staatsgebiete kam die Kirchensteuer zustande.© picture-alliance / akg-images | akg-images

Die Fürsten und Städte entschlossen sich dazu, diese direkten Pflichten auf die einzelnen Kirchenmitglieder zu übertragen, sodass alle Kirchenmitglieder einen Teil ihres Vermögens an die Kirche abgeben müssen.

Mit der Trennung von Staat und Kirche nach Ende des deutschen Kaiserreichs wurde die Kirchensteuer 1919 in der Weimarer Verfassung verankert.

Das wird von der Kirchensteuer finanziert: Am Beispiel des Kölner Erzbistum

🛐 Den größten Anteil der Ausgaben (39,4 Prozent) wird für die regionale Seelsorge in den Kirchengemeinden genutzt. Dabei fließt ein großer Teil in die Betriebs- und Personalkosten von Pfarrern oder Kirchenmusiker:innen.

🏫 Der zweitgrößte Anteil der Ausgaben der Kirchensteuer fließt im Erzbistum Köln in den Bildungsbereich. 11,7 Prozent gehen beispielsweise an Schulen, die Hochschul-Gemeinden sowie die Erwachsenen-Bildung.

⛪ 10,8 Prozent der Kirchensteuer werden außerdem für die erzbischöflichen Einrichtungen genutzt. Darunter fallen zum Beispiel die laufenden Kosten für die Instandhaltung der benutzen Gebäude sowie die Personalkosten der Bischöfe.

🧑‍⚕️ 8,9 Prozent der Kirchensteuer 2020 flossen in die soziale Arbeit der Caritas.

👨‍👩‍👧‍👦 8,6 Prozent werden für die Altersversorgung genutzt. 7,7 für die Zielgruppen-bezogene Seelsorge, 6,7 für die Mission und Entwicklungshilfe und 6,1 für die Kindertagesstätten.

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Warum die Kirche derzeit, trotz fortschreitender Kirchenaustritte, finanziell stabil dasteht

  • Im Jahr 2021 zählten die evangelische und katholische Kirche mehr Austritte als je zuvor in Deutschland - insgesamt fast 360.000. Nach Skandalen um Missbrauchsfälle verbuchen die Religionsgemeinschaften seit mehreren Jahren einen steigenden Rückgang.

  • Trotz sinkender Mitgliederzahlen stiegen die Einnahmen der Kirchensteuer in den letzten Jahren paradoxerweise stetig an. Nur 2020, im 1. Jahr der Pandemie, gingen die Einnahmen leicht zurück. Das liegt daran, dass die Einnahmen der Kirchensteuer nicht nur von der Mitgliederanzahl abhängt, sondern auch davon, wie viel die Mitglieder verdienen.

  • Der Grund für den Anstieg der Löhne und somit auch der Kirchensteuer war also das sich bis zur Pandemie gut entwickelnde Wirtschaftswachstums Deutschlands.

  • Derzeit kann die Kirche die zahlreichen Kirchenaustritte durch besser verdienende Mitglieder noch ausgleichen. Lange wird das laut einer Prognose des Kompetenzzentrums Statistik und Datenanalyse der evangelischen Landeskirche jedoch nicht gut gehen. Demnach könnte die Kirche bis zum Jahr 2060 knapp die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren.

Warum du auch Geld an die Kirche zahlst, wenn du kein Mitglied bist

💸 Auch wenn du kein Mitglied der Kirche bist, finanzierst du sie mit. Neben der Kirchensteuer erhält die Kirche jedes Jahr nämlich zusätzliche Staatsleistungen. Rund 590 Millionen Euro überwiesen die Bundesländer 2021 an die Kirche.

📜 Diese Staatsleistungen, die jede:r Deutsche finanziert, geht ebenfalls auf die Enteignungen der Kirche im 19. Jahrhundert zurück. Sie sollen seitdem als Entschädigung dafür dienen.

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Du denkst über den Austritt aus der Kirche nach? Das musst du beachten

Wer hierzulande aus der Kirche austreten will, sollte Zeit und Geld einplanen. Je nach Bundesland musst du entweder beim Einwohnermeldeamt, Standesamt oder Amtsgericht einen Termin vereinbaren.

Aufgrund der zahlreichen Austritte und der Corona-Pandemie gibt es aktuell vielerorts wochenlange Wartezeiten. Zum Termin solltest du einen gültigen Reisepass oder Personalausweis mitnehmen.

Abschließend wird je nach Bundesland eine Gebühr fällig, die bis zu 60 Euro betragen kann.

Wer aus der Kirche austritt, darf die kirchlichen Sakramente wie beispielsweise eine kirchliche Hochzeit, Taufe oder Beerdigung nicht mehr empfangen. Nur in bestimmten Einzelfällen kann ein Pfarramt sich dafür entscheiden, eine Ausnahme zu machen. Beispielsweise, wenn es Hinterbliebenen ein wichtiges Anliegen ist, dass der/die Verstorbene eine kirchliche Beerdigung bekommt.

Wer aus der Kirche austritt, kann nur bei speziellen Ausnahmen Sakramente empfangen.
Wer aus der Kirche austritt, kann nur bei speziellen Ausnahmen Sakramente empfangen.© picture alliance / NurPhoto | Michal Fludra
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