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Agnostiker:innen einfach erklärt: Was glauben die eigentlich?

  • Veröffentlicht: 18.11.2022
  • 07:45 Uhr
  • Claudia Frickel

Das Christentum, der Islam und das Judentum sind sich sicher: Es gibt einen Gott. Agnostiker und Agnostikerinnen sehen das anders: Für sie ist die Existenz eines übernatürlichen Wesens nicht beweisbar. Es kann Gott geben - oder vielleicht auch nicht. Aber was ist der Unterschied zu Atheist:innen, und wer gehört dem Agnostizismus an?

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Agnostiker:innen – Die wichtigsten Fakten im Überblick

  • Christ:innen sind sich sicher, dass Gott existiert. Ähnlich wie im Christentum ist das auch für die Gläubigen im Judentum oder im Islam. Hindus glauben sogar an mehrere Götter.

  • Anders sieht es für Agnostiker und Agnostikerinnen aus: Sie sind unsicher, ob es einen Gott oder sogar mehrere Götter gibt oder nicht. Sie gehen davon aus, dass es keine Beweise gibt, weder dafür noch dagegen.

  • Beim sogenannten Agnostizismus handelt es sich nicht um eine Religion, sondern um eine Weltanschauung. Sie betont, dass das menschliche Wissen begrenzt ist und es deshalb keine Antwort auf die Frage nach Gott geben kann.

  • Zweifel an einem Gott oder Göttern gibt es schon seit der Antike. Den Begriff "Agnostizismus" prägte der englische Biologe Thomas Henry Huxley im 19. Jahrhundert.

  • Agnostiker:innen und Atheist:innen werden oft in einen Topf geworfen. Doch dabei handelt es sich um unterschiedliche Haltungen.

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Was ist ein Agnostiker oder eine Agnostikerin?

❓ Wenn du Agnostiker:innen fragst, ob es Gott gibt, antworten sie "Das weiß ich nicht" oder "Das kann ich nicht beantworten".

⚗ Für sie ist die Existenz eines übernatürlichen Wesens nicht rational erklärbar. Der Grund: Es lässt sich nicht mit wissenschaftlichen Methoden bewiesen. Und mit dem menschlichen Verstand können wir einen möglichen Gott sowieso nicht begreifen.

🤷 Für Agnostiker:innen heißt das aber, dass Gott trotzdem Realität sein könnte. Sie sind sich nur nicht sicher.

🤨 Die Zweifel können sich unterschiedlich äußern. Strikte Agnostiker:innen denken, dass Menschen niemals beweisen können, ob eine göttliche Macht existiert. Sie sagen: "Ich kann nicht wissen, ob es Gott gibt oder nicht, und du auch nicht."

🤔 Andere werden schwache Agnostiker:innen genannt: Sie finden, dass im Moment niemand weiß, ob es Gott gibt, dass sich das aber ändern kann. Sie sagen: "Ich weiß nicht, ob Gott existiert, aber vielleicht eines Tages, wenn es Beweise gibt."

✝ Einige Agnostiker:innen sind sogar in der Kirche und praktizieren religiöse Bräuche, obwohl sie an Gott zweifeln.

Das steckt hinter dem Agnostizismus

📃 Der Begriff Agnostizismus ist eine Wort-Kreation aus dem 19. Jahrhundert. Man kann ihn mit "Lehre vom Nichtwissen" oder "Lehre von der Nichterkennbarkeit" übersetzen. Die altgriechische Vorsilbe "a" bedeutet "nicht", "gnosis" heißt "Wissen".

🤐 Thomas Henry Huxley erfand das Wort 1869. Er definierte es so: "Es bedeutet nur, dass ein Mensch nicht sagen sollte, dass er etwas weiß oder glaubt, für das er keine wissenschaftlichen Gründe hat, zu behaupten, es zu wissen oder zu glauben."

🧑‍🔬 Anders gesagt: Der Naturwissenschaftler Huxley unterscheidet zwischen empirischem Wissen der Wissenschaft, das durch systematische und standardisierte Prozesse oder Beobachtungen gewonnen wird - und dem Nichtwissen, für das es keine empirischen Beweise gibt.

🧑‍🎓 Agnostische Vorstellungen sind viel älter. Der griechische Philosoph Protagoras drückte es im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung so aus: "Was die Götter angeht, so ist es mir unmöglich, zu wissen, ob sie existieren oder nicht, noch, was ihre Gestalt sei. Die Kräfte, die mich hindern, es zu wissen, sind zahlreich, und auch die Frage ist verworren und das menschliche Leben kurz."

📕 Im 18. und 19. Jahrhundert äußerten sich verschiedene Philosophen wie David Hume, Immanuel Kant und Søren Kierkegaard zweifelnd gegenüber angeblichen Gottesbeweisen. Auch der britische Gelehrte Bertrand Russell war religionskritisch. Sein Essay "Warum ich kein Christ bin" von 1927 gilt als eines der wichtigsten Dokumente des Agnostizismus.

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Agnostiker:innen und Atheist:innen - Das sind die Unterschiede

  • Atheist:innen und Agnostiker:innen werden oft verwechselt. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Weltanschauungen.
  • Das macht schon der Begriff Atheismus deutlich: Das altgriechische Wort "Theos" heißt "Gott". Die Vorsilbe "a" verneint es. Also kann "Atheist:in" als "ohne Gott" übersetzt werden.
  • Für Atheist:innen existiert Gott schlichtweg nicht. Sie lehnen ihn nicht ab, sondern glauben einfach nicht an ihn, weil Beweise fehlen. Die Frage, ob es Gott gibt, werden sie verneinen. Agnostiker:innen stellen dagegen ihr Nichtwissen ins Zentrum.
  • Atheist:innen lehnen in der Regel Religionen ab. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie mit Spiritualität wenig anfangen können. Der Buddhismus als nicht-klassische Religion kommt zum Beispiel ohne Götter aus.
Galileo vom 2019-10-01

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Charles Darwin, Warren Buffett, Brad Pitt & Co.: Bekannte Agnostiker:innen

🔬 Charles Darwin: Der Naturwissenschaftler sprach von sich als einem Agnostiker.

📖 Margaret Atwood: Die kanadische Autorin von "Report der Magd" nennt sich "eine strikte, strikte Agnostikerin". Man könne nicht etwas "als Wissen bezeichnen, das kein Wissen sei".

Martin Amis: Der britische Schriftsteller findet, dass Agnostizismus die einzige respektable Haltung sei -"einfach deshalb, weil unser Nichtwissen des Universums so gewaltig ist".

🧑‍💼 Winston Churchill: Der frühere britische Premier-Minister sagte, er sei ein "optimistischer Agnostiker".

🧑‍🎤 Antonio Banderas: Der spanische Schauspieler antwortete auf die Frage, ob er religiös sei, dass er "große Zweifel" habe, aber nicht wisse, ob "agnostisch das richtige Wort" sei.

🧘 Uma Thurman: Die US-Schauspielerin nennt ihre Religion agnostisch - mit dem Zusatz: "Buddhismus, wenn ich auswählen muss."

🎞 Brad Pitt: Der US-Schauspieler bezeichnet sich selbst zu "20 Prozent als Atheisten und zu 80 Prozent als Agnostiker".

💰 Warren Buffett: Der US-Großinvestor hält sich für einen "echten Agnostiker".

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Agnostiker:innen in der Kritik

Agnostizismus ist sowohl mit dem Glauben an Gott als auch mit Atheismus vereinbar: Für Anhänger:innen geht es ja vor allem darum, dass sie keine Gewissheit haben. Manchmal wird ihnen darum vorgeworfen, dass sie sich nicht festlegen wollen.

Aus christlicher Sicht ist es nicht möglich, agnostisch zu sein. Entweder lebe jemand, als ob Gott existiere oder als ob er nicht existiere.

Der ehemalige Papst Benedict XVI (Joseph Ratzinger) sagte einmal, dass Menschen "vor der Frage nach Gott" nicht neutral sein könnten. Sie könnten nur "Ja oder Nein sagen und dies jeweils mit allen Konsequenzen bis in die kleinsten Dinge des Lebens hinein."

Der britische Autor und Biologe Richard Dawkins ("Der Gotteswahn") gilt zwar als Atheist, bezeichnet sich aber oft als Agnostiker. Der Grund: Niemand könne zu 100 Prozent sicher sein, ob es Gott gebe. Man solle aber keine Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent annehmen, nur weil man seine Existenz nicht widerlegen könne – genauso wenig wie bei Einhörnern oder Feen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es keinen Gott gibt, "würde ich bei etwa 98 Prozent ansetzen", erklärte er.

Agnostiker:innen in Deutschland: So viele haben Zweifel an Gott

  • Wie viele Agnostiker:innen es in Deutschland gibt, ist schwer zu sagen. Anders als bei den Kirchen gibt es keine Institution, der sie angehören. Bisher gibt es nur vereinzelte Umfragen.
  • 38 Prozent der Menschen in Deutschland nennen sich "gläubig", so eine Umfrage von Statista und YouGov aus dem Jahr 2021. 55 Prozent bezeichnen sich als "nicht gläubig".
  • Bei einer Umfrage von Eurobarometer Ende 2018 nannten sich 27 Prozent der Bürger:innen atheistisch oder agnostisch. Zwischen den einzelnen Weltanschauungen unterschied die Umfrage aber nicht.
  • Zwischen Ost und West gab es große Unterschiede: Knapp 17 Prozent der Westdeutschen bezeichneten sich als Agnostiker:innen, Atheist:innen und Nicht-Gläubigen, bei den Ostdeutschen waren es hingegen 68 Prozent.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Agnostiker:innen

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